Aus dem Journal Prado von Felmis



Das Artefakt ist fort.

Nicht, dass es mich überraschen würde. Nachdem die Bunte Kuh über fünf Tage überfällig war, obwohl sie Galitt termingerecht verlassen hatte, stand etwas Derartiges zu befürchten.

Was soll aus uns einfachen Geschäftsleuten nur werden in diesen Zeiten, wenn es nicht einmal mehr möglich ist, ein einfaches Päckchen von Altfurth nach Kolnik liefern zu lassen, ohne Komplikationen und Scherereien... Raubritter, Piraten, Zöllner, und was weiß ich noch Alles.

Vielleicht sollte ich dem Imperator vorschlagen, ein reichsweites allgemeines Nachrichten- und Paket-Versandtsystem einzurichten, wie es doch im Alten Reich vor bald 1500 Jahren doch offenbar schon möglich gewesen war. Oh Glorreiche Zeiten!

Nur würde das bedeuten, dass seine Kaiserliche Hoheit mich dann sofort um weitere 5000 Goldtaler Kredit anpumpen, und mir dafür nichts als einen weiteren belanglosen Titel mit zugehörigem verwahrlosten Landgut anzubieten haben wird...

„Dör Krieg im Osten, werter Froind...“ jaja, ich weiß.

Nun habe ich heute endlich die Eskorte meines Päckchens persönlich kennen lernen dürfen, und ich muss sagen, mein Neffe Anton entwickelt mit der Zeit eine interessante Gabe der Menschenkenntnis.



(Menschen o.ä.)


Selten sah ich eine abgerissenere Gruppe Abenteurer. Sie wirkten, als hätten sie die Nächte der letzten Woche oder gar Monate ausnahmslos unter freiem Himmel verbracht.

Dennoch sehe ich auch Potential.

Ich werde ihnen die eine oder andere Aufgabe stellen, um ihre Begabungen zu prüfen, bevor ich sie entsende, mein Artefakt aus den Kammern des Ordens wieder zu beschaffen, doch ich bin zuversichtlich, und glaube fest, dies ist der Beginn einer für alle Seiten äußerst vorteilhaften Zusammenarbeit.

Ich habe ihnen Donata zur Seite gestellt. Besonders der Elf mit den farbigen Haaren scheint Gefallen an ihr gefunden zu haben.
Donata wird ihnen jede mögliche Unterstützung zukommen lassen, und sie gleichzeitig für mich im Auge behalten.

Das verschafft mir die Zeit, die ich brauche, um die neuen Informationen auszuwerten. Was sie mir über die Umtriebe einiger Ordensleute berichtet haben, wiegt schwer. Das verlangt nach einer sofortigen Neuanalyse der Situation. Wer mag dieser N. sein? Er ist keiner der Großen Drei, denke ich, aber er verfügt offenbar über nicht unwesentliche Macht im Orden.

Er kann Brüder disziplinieren und strafversetzen lassen. Er hat Einfluss auf die Flotte. Er wird entweder zum Klerus oder zu den Graumänteln gehören, und mindestens den Rang eines Dekans oder Erzdiakons innehaben.

Vielleicht ist es an der Zeit, mich mal wieder mit meinem Guten Freund M. auf ein paar Gläser Wein zu treffen.

Ha, da kommt mir eine gar fabelhafte Idee, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

Nach Kolnik (fast ohne Umwege)

Bridtag, der 6.  im Freudenmond

Nachdem in Fleggn alles und jeder erledigt war, beschlossen wir zusammen mit den neuerworbenen Pferden weiter zu ziehen gen Kolnik, um dort unserem Auftraggeber entgegen zu treten.
Der schwerkranke Halbling wurde von Zobeida versorgt und auf ein Pferd gebunden. Der Herr Moncada war froh, dass er über Land reisen durfte- dennoch schien er auf der ersten halben Tagesreise etwas abwesend (wahrscheinlich in tiefe Gedanken versunken über die Abgründe des grauen Ordens). Nachdem man uns von einer Furt-Burg im Landesinneren erzählt hatte (wo gewiss nicht nur Zoll erhoben würde, sondern vielleicht auch Ausschau gehalten würde nach ein paar verloren gegangenen Pferden), reisten wir an der Küste entlang.
Wir ritten durch Sand, auf Sand, um Sand herum, auf Sandbänken entlang und die einzige Unterbrechung der Ödnis waren die kaum unterdrückten Schmerzlaute von Dagol, dem Waldläufer. Irgendwann steckte er sich seltsames Grünzeug in die Hose, um die Schmerzen an seinem Allerwertesten zu lindern. Ob er dabei auch Brennesseln erwischte? Jedenfalls tönte sein Gewimmer nur noch lauter durch die salzige Luft.
Nachdem wir uns deutlich verritten hatten, wachte Herr Moncada auf und führte uns an. Er tat das einzig Richtige: Er ignorierte einfach, dass hier das Wasser nicht wusste, wo das Meer endete und das Land nicht wusste, wo die Küste war und sich deshalb Wasser und Land immer wieder vermischten, um hässliche Bastard-Sandbänke voller Muscheln und Tang hervorzubringen. Herr Moncada ritt nach dem Stand der Sonne und wahrscheinlich mit Hilfe seines Pferdes, welches auch nicht so erpicht auf eine Karriere als Seepferd war und fand so den Weg.

Wir verbrachten die Nacht in einem kleinen Wäldchen und erreichten am nächsten Tag problemlos den kleinen Handelsposten. Hier tauschten wir die Pferde bei einem schmierigen Händler in eine Schiffspassage um. Der Mann murmelte etwas von "Umlackieren und Fahrgestellnummer heraus fräsen" und zog uns nur ganz wenig über den Tisch. Er gab uns einen Fetzen Papier, den er "Wechsel" nannte und behauptete frech, dafür würden wir in Kolnik Gold bekommen. Ja, und seine Großmutter kann des nachts fliegen! Egal, Hauptsache weg von hier! Während Dagol das Ende seiner Reiterkarriere feierte, beklagte sich der Herr Moncada bitterlich bei seinem edlen Streitross, dass sie beide schon wieder eine Seefahrt ertragen müssten. Das Streitross ertrug diese Aussicht jedenfalls mit deutlich größerer Gelassenheit.

Doch die Überfahrt mit der sogenannten Schnigge verlief ruhig und nach zwei Tagen auf Küstengewässern fuhren wir mitten hinein nach Kolnik und legten auf einer langgezogenen Insel inmitten eines Flusses, der die Stadt teilt, an. Der Herr Moncada nahm tatsächlich diesen sogenannten "Wechsel" und kam auf wundersame Weise mit zehn Gulden wieder heraus aus dem Handelskontor. Ein Hoch auf die globale Geldwirtschaft! Sie funktioniert tatsächlich!
Jeder von uns steckte einen Gulden ein und die übrig gebliebenen wollten wir für die Krankenbehandlung des Halblings verwenden.

Wir suchen und fanden das Haus (eher ein Palazzo) des edlen Herrn Viskont von Felmi, dem wir ein wertvolles Päckchen schuldig waren, was den Besuch bei ihm nicht erfreulich machte. Doch zuvor fanden wir eine Brücke (aus Stein? aus Holz? wie lang? von wo nach wo? bewacht oder unbewacht? erbaut in welchem Jahr?), ein Rathaus, in welchem der Bürgermeister seine Dienstgeschäfte verrichtete, nichts ahnend, dass wir Pferdediebe und Mörder waren, und außerdem in dunkle Machenschaften rund um den Grauen Orden verstrickt, angeblich magische Gegenstände entwendet hatten, doch auf jeden Fall mehrere Angehörige der Ordnungskräfte in der Provinz getötet oder zumindest nackt ausgezogen und eingesperrt hatten. Und in diesem Nicht-Wissen sollte er sich weiter wiegen- das zumindest war die Meinung von allen vernunftbegabten Mitgliedern der Gruppe.

Das Gespräch mit Prado von Felmi, dem Viskont, verlief besser als erwartet. Eigentlich erzählten wir ihm einfach alles und er hörte uns sehr interessiert zu. Anschließend erzählte er  uns so gut wie nichts, riet uns jedoch zu einer Übernachtung in der hochklassigen Herberge am Markt und versprach, uns seine persönliche Assistentin Donata Jallop für weitere Fragen zu schicken.

Den Nachmittag über verbrachte jeder nach seinem Geschmack: Erst brachten wir Gustan, den Halbling, zu den Tempeln. Vor die Wahl gestellt, entschieden wir uns ihn den Priestern des Todestempels zu überlassen und sollte er das einen Tag lang überleben, ihn dann von den Priesterinnen der Frix liebevoll und zärtlich gesund pflegen zu lassen.

Während also die einen die örtliche Bierqualität gründlich testeten, gingen die anderen einkaufen: je nach Geschmack Waffen oder bunte Bänder für ihre (grünen) Haare. Am Abend trafen wir uns alle in der Taverne der Herberge am Markt und ohne dass wir sie bemerkt hätten, saß plötzlich Donata Jallop unter uns und fragte uns, ob wir etwas gegen Halblinge hätten. (Wahrscheinlich bezog sie das auf ihren Herrn, einen Halbling- was uns nur kurz überrascht hatte, mir jedoch beinahe einen frechen Spruch über "Was-man-über-Halblinge-im-Bett-sagt" entfahren ließ).

Wir teilten ihr mit, dass wir Halblinge lieben (...gut gesalzen und mit zerlassener Butter), dass unser bester Freund auch ein Halbling sei (der Grund, warum wir ihn in die dunklen Hände der Todespriester gegeben hätten) und vor allem, dass wir dem Herrn von Felmi gerne helfen würden, sein kostbares "Ding" (und hier musste ich nur wenig hüsteln) aus jedweder feindlichen Hose zu holen um ihm zu strahlender Größe zu verhelfen. Gute Götter, ich sollte es auf jeden Fall den anderen überlassen, solche Verhandlungen zu führen!

Wiedersehen alter Freunde

Astag, der 1. im Freudenmond

Ihr erinnert euch an dieses seltsame Dorf voller heimlicher Strandpiraten namens Fleggn? Eigentlich wollte ich da nie wieder hin - nicht nur weil es mich in seiner Ödnis an Ottensten erinnerte, sondern vor allem, weil wir einige der Dorfbewohner/Strandpiraten über den Jordan geschickt und den Oberchef der Kriminellen-Truppe "Wortkarger Wirt/Piratenboss" seebestattet hatten (was übrigens für heftige Moral-Diskussionen sorgte, aber davon später...).
Da waren jedoch zwei Probleme: Nach dem heldenhaften und moralisch völlig berechtigten Überfall auf die zerfallene Burg des Vogts hatten wir weder Reittiere noch Vorräte und so beschlossen wir, die Nacht im ausgeräucherten Piratenlager zu verbringen.
Ihr werdet nicht glauben, wen wir dort antrafen! Mancher erinnert sich vielleicht an die Geschehnisse in Dosti, als der Geburtstag der Prinzessin gefeiert und vielerlei Festivitäten rund um ein Ritterturnier stattfanden. Die Kurzfassung, die damals um die halbe Welt ging, lautete: Turnier leidlich spannend, ein Ritter siegt, aber puff! Prinzessin plötzlich weg - und wer sie wieder fände, sollte sie dann heiraten dürfen und eine fette Mitgift kassieren. Wir also zack! hin, Burg gestürmt, falschen Drachen entlarvt und verliebten Zauberlehrling gefangen. Belohnung kassiert und weiter gereist. Wer will schon eine Prinzessin aus Dosti heiraten? Na ja, jedenfalls waren es meine schlauen und tapferen Mitstreiter von damals, die wir in dem Piratenlager wieder trafen:
Zobeida, die heilkundige Magie-Elfe, Brindol, ihr seltsamer Zwergenfreund und der edle und heißblütige Ritter Moncada. Diese drei hatten sich offenbar weiter zusammen durch die Welt geschlagen und suchten in dem Piratenlager nach genau jenem unheilvollen Stein, der inmitten der Zelte stand.
Da war die Wiedersehensfreude groß und ich stellte meinen alten Freunden das Grüppchen vor, mit dem ich hier her gereist war: Zelaya, die Ritterin, ihres Auftrags beraubt, auf das ach so wertvolle und wichtige Paket zu achten, widmete sich sogleich ihrer Pflicht: Sie wies uns darauf hin, dass wir die gefangenen Piraten zu befreien hätten, und die im Dorf gefangenen Matrosen sowieso und dass die Seebestattung des Wirts moralisch verwerflich gewesen sei und überhaupt. Der hübsche Halbelf Dagol warf sein grünes Haar und versuchte, Zobeida zu beeindrucken, was ihm jedoch gründlich misslang. Denn die widmete sich ganz unserem kleinen Freund Gustan, der von den untoten Skelettkriegern auf der Burg schwer verletzt worden war. Als Zelaya erfuhr, dass ich auf der Burg ein schönes Schwert gefunden hatte und dieses Schwert mich erwählte und sogar einen Namen trug, war sie ein kleines bisschen neidisch und bestand darauf, ins Dorf zu ziehen, um die Matrosen zu befreien, auf dass wir wenigstens etwas Gutes täten.

Nun denn, am nächsten Morgen spähten wir vom Waldrand ins Dorf hinunter und sahen dort sechs Pferde hinter dem Wirtshaus angebunden. Dagol, der grünhaarige Halbelf und Brindol, der Zwerg, der sich gut hinter hohem Gras verstecken konnte, schlichen sich ins Dorf zur Spionage. Ich verkleidete mich als Knappe und begab mich zusammen mit dem Ritter Moncada auf die Straße, wo wir von der anderen Seite ins Dorf einritten, jedoch von fremden Wachleuten aufgehalten wurden. Die anderen warteten im Wald.
Unsere Erkundungen ergaben, dass die Soldaten offenbar die Strandräuber finden und festnehmen wollten.

Also alles kein Problem für uns- hätten wir nicht ganz aus Versehen die sechs angebundenen Pferde geklaut. Als wir sie gerade praktisch fast zurück geben wollten, griff uns der dumme Sergeant mit seinen Leuten an und so waren wir leider gezwungen, den einen oder anderen zu töten.
Zobeida reagierte blitzschnell und zauberte eine Dornenhecke um die Angreifer und Brindol und Moncada spannten blitzschnell drei Minuten lang ihre verdammten Armbrüste, um dann elegant daneben zu schießen. Den Göttern sei Dank hatten wir auch noch ein paar Leute mit richtigen Waffen, die dem Sergeant Respekt beibringen konnten.

Das Ende vom Lied war, dass wir die Matrosen aus dem Handelsschiff aus dem Keller holen konnten (dank Gustan, der erfolgreich ein paar Seite aufknotete) und das machte die pferdestehlende Ritterin glücklich.  Die anderen Soldaten waren mit vollen Hosen verschwunden, der Sergeant lag im Staub, nur so ein blöder fetter Ritter streckte die Waffen und guckte Zelaya traurig an, damit sie ihn in weiche Wolle hüllen und zu seiner Mami tragen sollte.

Wir konnten sie jedoch überzeugen, dass es uns nur Ärger einbringen würde, auf gestohlenen Pferden mit einem gefesselten Ritter zu reisen, und so zogen wir ihm seine Rüstung aus und sperrten ihn in die leere Scheune des Dorfes.
Dann machten wir uns auf in Richtung eines Handelspostens, von dem wir gehört hatten- immer Richtung Kolnik, wo wir unserem Auftraggeber sagen würden, dass wir das wertvolle Paket (Artefakt?) verloren hätten.

Verräter-Briefe

Der Vogt hatte offenbar Post erhalten vom großen Unbekannten. Irgend etwas Mieses und Verräterisches war da im Gange und wir hatten das ungute Gefühl, gegen unseren Willen Teil einer Geschichte von Verrat und Krieg zu sein.




Die gespaltene Burg

Wutag, der 30. im Mond der Frix

Nach der Seebestattung des Piratenchefs sperrten wir die übrigen Strandräuber in ihre eigene Hütte. Der Piratenchef hatte uns vom Geheimversteck des Vogts erzählt- völlig freiwillig übrigens- und wir vermuteten, dass dieser Mistkerl unser wertvolles Päckchen dort hin gebracht hatte.
Allerdings waren die Boote der Strandräuber alle absichtlich beschädigt worden und so waren wir wieder einmal froh, unser Floßbau-Talent Dagol zu haben. Der außerordentlich hübsche und begabte Dagol reparierte eins der Boote mithilfe der anderen Boote und weihte uns dabei fortwährend in die Geheimnisse des Bootsbaus ein...nehme ich an, ich konnte aufgrund der zusammengerollten Fetzen meines Unterrocks in meinen Ohren nicht so richtig zuhören.

Jedenfalls hatten wir bald ein seetüchtiges Boot und nach einer Stunde Rudern sahen wir die seltsam gespaltene Burg im Wasser stehen. Sie sah ziemlich verfallen aus und ragte 50 oder 60 Meter über uns aus dem Wasser - ohne jeden Zugang. Doch von Land aus sahen wir schwere Ketten, die man hochziehen konnte und die sich dann von einer Felsterrasse zum Vorderteil der Burg spannten. Wir hangelten uns daran entlang und von dort zur zweiten Burghälfte.

Sie schien völlig verlassen zu sein- abgesehen von einem schwachen Geruch nach Ogerscheisse. Und siehe da, in einem riesigen Haufen stinkenden Gerümpels im Rittersaal lebte so ein haariges dummes Biest. Aber nicht mehr lang, denn unsere Bogen und Wurfmesser dürsteten nach Blut. Welch seltsame Haustiere sich manche Leute halten!



Im Bergfried dann wurden wir fündig: Im Arbeitszimmer des Vogts lagen etliche Schriftstücke herum. Leider erwies sich der violette Kreis auf dem Boden als magische Falle. Aber wozu hat man männliche Begleitung: Einer der Jungs sprang hinein, fiel um und lockte eine Flut untoter Skelettkrieger die Treppen herauf. Eine gute Gelegenheit, um festzustellen, dass Wurfmesser durch den Brustkorb eines Skeletts mit hoher Wahrscheinlichkeit einfach hindurch fliegen - wann erfährt man Wissenschaft schon einmal so hautnah und eindrucksvoll?

Zu unserem Glück hatten wir auch andere Waffen parat und so erzeugten wir mit viel Getöse einen Haufen Knochenstaub. Als etwas Ruhe auf dem verfluchten Burghof eingekehrt war, suchten wir in den unteren Geschossen des Bergfrieds weiter und fanden einen magisch versperrten Kellerraum- doch leider kamen wir nicht hinein, da er magisch versperrt war. Nachdem wir mehrfach ausprobiert hatten, ob der Raum magisch versperrt war, stellen wir fest, dass er magisch versperrt war.
Die verfluchte Tür ließ sich weder öffnen noch einschüchtern, egal mit wie viel Kraft wir dagegen drückten. Da nahm Gustan den Türknauf und zog - und das verdammte Ding ging einfach auf.

So viel zur Magie. Innen war ein vollgestopfter Keller- und auf dem Tisch lag unser Päckchen, ausgepackt und leer. Der verfluchte Vogt hatte das Was-auch-immer darin einfach gestohlen! Wir durchsuchten das Durcheinander ein bisschen, fanden jedoch nichts von Wert. Ich nahm mir ein paar alte abgenutzte Waffen von der Wand mit, doch die Türmagie war nicht einverstanden. Eine Waffe zerfiel zu Staub, eine andere war nichts wert, doch ein rostiges Schwert ging durch (ich spürte eine deutliche Missbilligung der Tür, doch die ignorierte ich gekonnt).

Wieder draußen mussten wir den kleinen Gustan irgendwie tragen: Eins der Skelette hatte ihn bös erwischt und er konnte nicht mehr laufen. Doch Dagol, der herrlich Heldenhafte (und Hübsche!) band ihn sich auf den Bauch und kletterte flink und sicher (und elegant!) zurück zum Festland. Dort angekommen, zog ich das rostige Schwert aus seiner Scheide und sah mich plötzlich von Männern in karierten Schlafanzügen umgeben, die mit lauten Kriegsgeheul eine Stadt angriffen und ich sah das Schwert und es hieß Fír Wyneb und es gehörte mir ganz allein! Eine Vision! Meine erste! (Bis dahin hatte ich nur weinbedingte Visionen gehabt- oft mit dem Ergebnis, mit einem gutaussehenden interessanten Mann zu Bett zu gehen und neben einem hässlichen Idioten aufzuwachen).

Auszug aus dem Logbuch der Bunten Kuh

Verfasst von Kapitän Johann Westwind, im Auftrag des Fahlbecker Bundes


Die Bunte Kuh



Börnemünd. Nintag, der Zehnte im Mond der Frix im Jahre 2327 ab Gründung


Habe heute eine Gruppe Passagiere an Bord genommen, die einen Kurierauftrag für Prado Viscont von Felmi ausführen.

Ein zwielichtiger Halbling, eine wortkarge Kriegerin, einen Bogenschützen (einen Elfen, bei Ralik!), und eine Weibsperson mit vermutlich zweifelhafter Moral.

Auch wenn dies unter der Mannschaft zu Gemurre hätte führen können, sind in diesen Zeiten doch alle froh, über ein paar zusätzliche Schwerter und Bögen an Bord.

Nicht dass ich mit Schwierigkeiten rechne. Die See ist ruhig, und die Bunte Kuh ist ein stolzes, wohl gerüstetes Schiff, bei dessen Anblick ein Eetlust-Pirat wohl zweimal nachdenken wird, bevor er eine Dummheit begeht.

Die 16 neuen Kanonen an Bord helfen obendrein nachts ruhig zu schlafen.


Der Laderaum ist voll. Wir fahren Tuch für Fahlbeck, Salzheringe und Tumarin-Wein für Galitt, sowie Zinn, Eisen, Werkzeuge und Gebauchswaren und Getreide für Kolnik. Einzig die 20 Fässer Schießbulver, ebenfalls für Kolnik bereiten mir einige Kopfschmerzen. Hoffentlich besaß der Rat die nötige Weitsicht, in dieser Angelegenheit das Richtige getan zu haben.

Tustag, der 11.2.

Mit der Morgenflut ausgelaufen. Klarer Himmel, gute Sicht, mäßiger Wind von West-Südwest. Ideale Bedingungen.

Raltag, der 12.2.

Keine besonderen Vorkommnisse.

Ostag, der 13. im Mond der Frix
Wir segeln in den Tjoresund ein. Vorsorglich versetze ich die Mannschaft in Alarmbereitschaft, lasse die Kanonen bereit machen, und Bug- und Heckkastell mit Bogenschützen bemannen. Die Passagiere sind eine willkommene Verstärkung. Der Elf mit seinen Adleraugen besetzt das Krähennest.

Doch wie erwartet: Keine Piraten in Sicht. Die werden sich hüten, ein Schiff wie die Bunte Kuh anzugreifen.


Ostag, 14.2.

haben den Tjoresund passiert, und setzen Kurs auf Fahlbeck.
Keine besonderen Vorkommnisse. Spendiere der Mannschaft nach der Anspannung im Sund ein kleines Fass Tumarinwein aus meinen persönlichen Beständen.


Bridtag, 15. im Mond der Frix.

Fahlbeck angelaufen. Ladung wird gelöscht. Die Idioten haben das Getreide für Kolnik über das Maanviek-Tuch für Fahlbeck gepackt. Das kostet uns einen halben Tag. Genehmige den Passagieren und einem Teil der Mannschaft einen halben Tag Landgang.


Wutag, 16. im Mond der Frix.

Auslaufen mit der Nachmittagsflut. Die Schwachköppe in Börnemünd haben uns mehr als nur einen halben Tag gekostet. Musste den Hafenarbeitern in Fahlbeck den doppelten Lohn bezahlen. Laut den Statuten des Bundes der Preis für Arbeit am Wutag.
Habe die beiden, die das Beladen in Börnemünd überwacht haben, zu drei Tagen Nachtwache verdonnert.


17.-22.

Weiterfahrt nach Galitt. Keine besonderen Vorkommnisse.


Wutag, der 23. im Mond der Frix im Jahre 2327 ab Gründung

Sind mit der Nachmittagsflut in Galitt eingelaufen.
Nach einer Woche auf See habe ich beschlossen, diese Nacht im Kontor des Bundes zu schlafen. Das Löschen der Ladung habe ich für morgen früh angesetzt, da ich nicht noch einmal den Wutag-Preis leisten möchte.

Astag, der 24.

Was für eine Unverfrorenheit. In der Nacht ist ein Einbrecher in meine Gemächer hier im Kontor eingedrungen, und hat meine Unterlagen durchwühlt. Das Logbuch, die Frachtpapiere, die Mannschaftsliste. Zum Glück hatte ich die Schiffskasse nicht bei mir.
Das sind die Zustände in einer vom Orden beherrschten Stadt?! Sollten nicht gerade hier Recht und Gesetz herrschen?!!!

Zu allem Überfluss stattete der dreiste Dieb auch noch dem Zimmer meiner Passagiere einen Besuch ab. Sie haben ihn bei seinem schändlichen Treiben zwar ertappt, doch - Tus steh mir bei! - entwischen lassen!

Nachdem Heringe und Wein von Bord sind, verzichte ich auf weitere Ladung, und gebe den Befehl zum Auslaufen mit der nächsten Flut. Nichts wie weg von hier! Das wird ein Nachspiel haben!


Astag, der 24., Nachtrag:
Meine Passagiere verhören Mitglieder meiner Mannschaft. Offenbar machen sie sich Sorgen um ihr Paket für von Felmi. Aber für meine Leute lege ich die Hand ins Feuer.

Ich glaube ja, es ging um die Ladung Schießpulver. Nachschub für Kolnik, aber für wen? Den Fürst von Amaih? Die Ketzer? Das wird denen im Orden so oder so nicht gefallen, so viel steht fest. Hätte mich auf diesen Handel nicht einlassen sollen.


Nintag, der 25.

Mannschaft und Passagiere nervös. Sonst keine Vorkommnisse.

Tustag, der 26.

Oh Rabalga! Der Wind drehte in der Nacht auf Nord-Nordwest. Ich ändere den Kurs auf Südost, da wir sonst zu viel Zeit verlieren . Ich wollte ursprünglich das Haff von Lorke weiträumig umfahren, und direkt Kurs auf Kolnik nehmen, doch der Wind lässt mir kaum eine Wahl.


Tustag, der 26., Nachtrag:
Die Götter sind uns nicht gnädig. Der Wind flaut ab, und kommt immer mehr von Norden. Wir verlieren deutlich an Fahrt.


Tustag, der 26. im Mond der Frix, Nachtrag II:


Alarm! Der Ausguck meldet Segel auf Nordwest. Es scheint sich um ein kleineres Fahrzeug zu handeln. Es kommt näher. Ich befehle einen Kurswechsel drei Grad auf Süd. Das Schiff, eine Karavelle, passt seinen Kurs an.

Die verfolgen uns.

Ein weiterer Kurswechsel auf Süd-Südost bringt uns vor den Wind. Die großen Rahsegel blähen sich wieder, wir nehmen Fahrt auf, der Abstand zu unseren Verfolgern vergrößert sich. Vor dem Wind sind Rahsegel schneller als Lateiner.

Nur wird dieser Kurs uns direkt auf die Felsen von Lorke führen. Bereits kann ich die verfluchten Sandbänke der Nehrung und Inselchen und verwinkelten Kanäle im Haff erkennen. Ich entschließe mich, bei zu drehen, und einen Warnschuss abgeben zu lassen. Immerhin sind wir besser gerüstet, als eine kleine Karavelle.

Wie erwartet hissen die die Fahne der Kaper-Bruderschaft.

Die Mannschaft ist bereit und bewaffnet, die Kanonen bereit. Ich schicke den Elfen mit seinem Langbogen ins Krähennest. Die Möwen mögen auf Manieren und Warnschüsse scheißen. Ich befehle eine gezielte Backbord-Breitseite.

Die Karavelle muss ein paar leichte Treffer einstecken. Sie erwidern das Feuer, doch die Schüsse gehen alle ins Wasser.

Die nächste Ladung trifft die Karavelle mittschiffs, der Hauptmast ist beschädigt, dennoch versuchen diese verfluchten Bastarde, uns auszumanövrieren. Verdammt wendige kleine Scheißschiffe, diese Karavellen. Was macht ein Schiff von der Westküste überhaupt hier im Weißen Meer. Vermutlich ein Kauffahrer aus Pontadoeste, der den Kaperfahrern in die Hände gefallen ist.


Nachtrag III
Das ist eine Falle! Während wir mit der Karavelle beschäftigt waren, hat sich unbemerkt ein weiteres Schiff von Osten entlang der Küste genähert. Oh Ihr Götter! Es ist eine ausgewachsene Galeasse. Diese verfluchten zu groß geratenen Ruderkähne.

Ich hörte von Galeassen mit 150 Männern und bis zu 30 Kanonen.

Dennoch befehle ich eine Steuerbord-Breitseite. Wir werden kämpfen.

Die Karavelle ist schwer beschädigt. Die Galeasse hat ein paar Treffer eingesteckt, da zerstört eine Kugel unser Ruder. Wir sind maövrierunfähig!

Die Karavelle versucht offenbar ein Entermanöver. Ein weiterer Treffer. Eine plötzliche Böe aus Norden erfasst uns frontal, und drückt uns ins Haff. Der Rumpf schleift über die Sandbank, da ertönt ein Knall. Eine gewaltige Explosion an Bord der Karavelle. Die Flutwelle und der Nordwind spülen uns über die Sandbank ins Haff. Der Flachboden der Kuh hält, aber jetzt sind wir ein leichtes Ziel. Ich denke an das Pluver im Bug des Laderaums.

Tatsächlich trifft uns eine weitere Salve der Galeasse am Bug.


Raltag, der 27. im Mond der Frix, im Jahre 2327 (vermutlich)


Bei der folgenden Explosion scheine ich das Bewusstsein verloren zu haben.

Als ich erwache, befinde ich mich mit dem Maat und drei Matrosen in einem baufälligen Schuppen. Mein Bein ist gebrochen, meine Hände gefesselt.

Wir sind gefangen.

Unsere Wärter scheinen ein paar Strandräuber zu sein.

Vermutlich wollen sie Lösegeld für uns. Das ist eine gute Nachricht, denn das heißt, sie werden uns am Leben lassen, und in spätestens zwei Wochen sind wir wieder zuhause in Fahlbeck.


Ostag (möglichwerweise)

Ich habe Fieber.
Sie verpflegen uns gut. Etwas Branntwein wäre noch besser. Doch den lassen sich unsere Entführer selber schmecken. Ihr Gesinge ist entsetzlich!

Bridtag? der 29.?


Ich erwache von Kampfgeschrei. Unglaublich unsere Passagiere haben nicht nur die Explosion überstanden, sondern eigenhändig 14 Strandräuber besiegt, und größtenteils getötet.

Und uns befreit.

Der Rest der Mannschaft ist im Dorf Fleggn gefangen. Offenbar ist der Wirt des Dorfes der Anführer der Strandräuber. Oder sollte ich sagen: war.

Denn im Siegestaumel haben sie ihn nach dem Verhör von der Klippe gestoßen.

Leider ist ihnen ihr Päckchen abhanden gekommen, und ich rate ihnen dringlichst, es wieder zu beschaffen, denn der gute Viscont von Felmi kann sehr ungehalten werden, wenn man seine Sachen verliert.

Derweil habe ich über ein Rätsel ganz anderer Art nachzudenken.

In den letzten Tagen nagte ein Verdacht an mir. Galeassen sind Schiffe des Zwischenmeers. Karavellen sind Schiffe aus Pontadoeste. Ich weiß, die Kaperfahrer der Bruderschaft verwenden gekaperte Schiffe, doch wie sollen sie an ein hochgerüstetes Kriegsschiff wie eine Galeasse aus einem völlig anderen Teil der Welt kommen? Und wie soll ein Haufen Piraten ein solches Schiff steuern? Das Rudern einer Galeasse erfordert viel Geschick und Disziplin.

Die verbliebenen Strandräuber mögen nicht die glaubwürdigsten Augenzeugen unter Tus' strengem Blicke sein, doch alle bestätigen einhellig, dass nach der Explosion keine Anstalten unternommen wurden, die Kuh zu plündern. Und einer unter ihnen, ein junger Bursche, schwört, die Galeasse habe nach dem Gefecht die schwarze Flagge der Kaperfahrer eingeholt, und die Graue des Ordens gehisst.


Wenn dies der Wahrheit entspricht, so ist dies ein Skandal erster Güte. Der Orden ist offiziell Mitglied im Bund von Fahlbeck. Galitt und Tamor, Städte des Bundes befinden sich auf Ordensgebiet.

Ging es um das Schießpulver? Mir kommt der Einbruch in Galitt - ha! - einer Ordensstadt wieder in den Sinn.

Dies wird ein Nachspiel haben. Und es bedeutet, wir müssen hier so schnell wie möglich weg, denn die nächste Ordensburg dürfte keine Tagesreise von hier entfernt sein, und vermutlich befindet sich schon eine Patrouille auf dem Weg hier her.

....



Juhu, wir sind bei der Paketpost!

Tustag, der 4. im Mond der Frix im Jahre 2327  (nach der Gründung von Perapol)

Ich verbrachte den Abend in einem kleinen halb leeren Gasthaus in Bridwell. Kürzlich hatte ich ein Grüppchen Gaukler verlassen, weil ein paar davon den Bütteln in die Hände gefallen waren, und das nicht, weil sie beim Jonglieren Witze über Bälle gemacht hatten. Der Abend begann recht langweilig, wurde dann seltsam, fand eine Zeitlang unter einem Tisch statt und endete mit einem mysteriösen Auftrag.
Ich lernte zunächst ein paar absonderliche Leute kennen: einen gewissen Dagol, ein großer Halbelf mit grünem Haar, offenbar blutjung aber ebenso offenbar der Meinung, er kenne die Welt. Er stamme von einem Geschlecht von Floßbauern ab, erzählte er und war darauf sehr stolz. (Na ja, wenn man außer einer Abstammung nichts weiter hat, mag das wichtig sein). Dagol war unterwegs mit einem Halbling namens Gustan, einem süßen Kerlchen, der mir irgendwie bekannt vorkam. Später fiel es mir ein: Bei dem Turnier in Dosti hatte sich damals nicht nur Brindol der Zwerg selbst mit dem Langbogen ein paar Meter weit geschossen, sondern zuvor war bereits ein junger Halbling in Richtung der Strohscheiben geflogen, als er mit beachtlicher Kraft die Sehne eines Bogens losließ, der doppelt so hoch war wie er selbst. Die beiden waren damals in Dosti praktisch zur Legende geworden.
Außer diesen beiden  begegnete ich noch Zelaya, der Ritterin. Sie wollte nicht erzählen, woher sie stammte und warum eine Ritterin allein auf Reisen ohne rechtes Ziel war. Doch bevor wir uns richtig unterhalten konnten, geschah etwas.

Leute in Rüstungen drangen in die Wirtschaft ein und die wenigen Bewohner von Bridwell verließen fluchtartig die Tische. Bevor irgend jemand etwas sagen konnte, fiel ein Mann, der mit einem anderen ganz allein in der Mitte des Raumes saß, tot um. In seinem Nacken steckte ein Armbrustbolzen.
Die Ritterin sprang auf und begann, mit ihrem Schwert wild den Mann, dessen Diener gerade erschossen worden war, zu verteidigen. Der heißblütige Dagol half ihr und es war viel Geschrei und Chaos. Ich war zusammen mit Gustan unter den Tisch gerutscht, wo wir vorsichtig hervorlugten und versuchten zu verstehen, was da geschah und warum.
Jedenfalls gewannen Dagol und Zelaya gegen irgend jemanden und dann war der Kampf zu Ende. Gustan und ich tauchten wieder auf und erfuhren, dass der Überlebende ein Neffe von seinem Onkel Sowieso sei und einen Auftrag als Kurier hatte. Er sollte ein Päckchen nach Kolnik bringen, jedoch sei sein Geleittrupp gemeuchelt worden und jetzt sei auch noch sein Diener tot und jetzt habe er keine Lust mehr.

Das Päckchen sei jedoch sehr wichtig und ob wir es nicht für ihn nach Kolnik bringen könnten? Er habe auch schon ein Schiff organisiert und es gebe eine fürstliche Belohnung. Und so taten wir uns zusammen: Die Ritterin, der hübsche Halbelf, der niedliche Halbling und ich. Wenn wir das Päckchen bei einem gewissen Prado von Felmi in Kolnik ablieferten, dann sollten wir pro Nase zehn Goldstücke als Belohnung erhalten. Zudem würde für die Reisekosten aufgekommen.
Da keiner von uns einen anderen Plan hatte, stimmten wir zu, nahmen das Paket entgegen und machten uns am nächsten Morgen auf in Richtung Börnemünd, wo das Handelsschiff lag, welches uns mitnehmen sollte.


Aus Magda wird Aurelia

Früher hieß ich Magda, aber das ist - den Göttern sei Dank - lange vorbei. Das langweilige und öde Dorf, aus dem ich stamme, heißt Ottensten. Nur sieben Häuser, aber neun Buchstaben im Namen - das sagt eigentlich alles über das Kaff. Ich habe drei große schöne und starke Brüder, die sich kaum ähneln, in ihrer Unterschiedlichkeit aber meine besten Freunde waren. Die anderen Kinder in Ottensten dagegen sahen irgendwie alle gleich aus: Knubbelnase, fliehendes Kinn und dumm wie Weizenschrot.

Meine Mutter Thyrra, gebürtig im fernen Perenolde, freundete sich immer schnell mit den fahrenden Händlern und Schaustellern an, die jedes Jahr im Frühling oder Sommer auch in Ottensten Station machten. Die waren immer sehr nett zu uns Kindern und steckten uns Süßigkeiten und Kuchen zu, wenn sie meine Mutter besuchten. Das waren oft Menschen mit olivfarbener Haut und nachtschwarzen Haaren, genau wie meine beiden jüngeren Brüder. Einen Vater hatten wir nicht, aber das machte nichts.

Als ich älter wurde, erfuhr ich, dass es ohne Vater keine Kinder geben könne und so fragte ich meine Mutter, wer denn mein Vater sei. Sie erzählte von dem Mann, der damals die Rolle Karl des Kühnen mit seiner Schaustellertruppe gespielt habe. Besonders sein Schwert hatte sie beeindruckt: "Er hatte das dickste Schwert, das ich je sah", so erzählte sie mir.

In meinem fünfzehnten Sommer entdeckte ich mit Hilfe einiger Bauernjungs, welche Freuden man noch so erleben konnte, außer Kuchen zu essen und bauchwarme Ziegenmilch zu trinken. Ich tat mit drei der Jungen, was erwachsene Frauen tun (bei Nacht, weil sie so hässlich waren) und als ich mit einem vierten in den Wald ging, überraschte mich der damit, dass er mich heiraten wollte.

Einen kurzen Moment lang überlegte ich - Feldarbeit, fünf Bälger in die Welt setzen, Ziegen melken, Wäsche waschen, Zähne verlieren - und entschied mich für die Flucht. Im Dorf begegneten sie mir ohnehin nur noch mit großem Misstrauen, seit ich Brüste und Hüften hatte und warfen mir vor, ich sei wie meine Mutter. Der Abschied von meiner Familie fiel mir nicht leicht. Meine Mutter fand jedoch die Gauklertruppe, der ich mich anschloss, sehr nett und teilte sogar ihr Bett mit den Männern. Und so hatte sie keine Bedenken, mich mit ihnen ziehen zu lassen. Als ich den Gauklern erzählte, ich wolle meinen Vater finden, den Mann mit dem beeindruckend dicken Schwert, lachten sie freundlich und meinten, sie würden mich gern zu Männern mit dicken Schwertern führen.

Und so begann mein neues Leben als Aurelia Aureliana.