Noch ein Artefakt...ist der Mann süchtig?

Kleiner Nachtrag
Offenbar verfügt Zobeida tatsächlich über eine große magische Begabung: Sie hatte nicht teilgenommen am unten beschriebenen Ausflug, da ihre Geister ihr von einer Gefahr gesprochen hatten. Und siehe da: Einige von uns kehrten mit einer Krankheit zurück, die uns etliche Tage aufs Lager zwang. Was mal wieder beweist, dass man auf die Stimmen in seinem Kopf hören sollte.

Tustag, der 10. im Freudenmond

Kaum hatten wir uns an die Annehmlichkeiten der weichen Betten in Kolnik  gewöhnt, kam Donata zu uns, um uns ein Angebot Prado von Felmis zu unterbreiten.
Da wir bereits zugesagt hatten, ihm sein kostbares Artefakt, welches uns gestohlen worden war, wieder zu beschaffen (aus den Archiven der sicher schwer bewachten Abtei- nebenbei bemerkt..) und dies unter der Tarnung einer Händlergruppe geschehen sollte, hatten wir uns eigentlich gefreut, einige Tage, bis das Handelsschiff bereit sei, in Kolnik herum zu hängen- auf Kosten unseres Auftraggebers versteht sich.

Nun, einige von uns hatten schon schwer damit angefangen: Der Zwerg Brindol zum Beispiel trank seit drei Tagen ununterbrochen jeden unter den Tisch, der sich traute, gegen ihn anzutreten. Die zuvor jeweils getroffenen Verabredungen, was der Sieger bekommen würde, hatten allerdings sicher keinen Bestand vor der Justiz, denn sie klangen ungefähr so: "Wennuschaffsuntanischssundrgnkommssunsilbabanuwennusschaffs." Die Antwort lautete stets ungefähr so: "Aber klar- Wirt! Zwei Bier für mich und meinen Freund- und wenn ihr schon dabei seid, bringt noch zwei für meinen Freund und mich!"  Ein Unglücklicher antwortete jedoch: "Haha, einen verdammten Zwerg unter den Tisch zu trinken ist doch keine Herausforderung...fehlen ja nur 3 Zentimeter!" Brindols Treffsicherheit mit der Axt war vom Alkohol kaum beeinträchtigt und so war der Mann froh, dass er wenigstens noch an einem Fuß alle Zehen hatte.
Zobeida streifte durch die dunklen und seltsamen Bezirke der Stadt, in der Hoffnung magische Artefakte, Tränke, Rezepte oder sonst welchen Zauber zu finden. Sie ging allein, was einige zwielichtige Gestalten zu der Annahme verlockte, sie könne eine leichte Beute sein. Sie würden nie den Abend vergessen, an dem sie sich plötzlich von einer Dornenhecke eingekreist sahen, über die ein Feuerball nach dem anderen flog und ihnen die Haare versengte. Und als die Kinder erst merkten, dass die Ganoven hilflos waren - und als sie erst mit Steinen warfen und dann mit fauligem Gemüse und als ein Junge auf die Idee mit den Nachttopf-Bomben kam!
Nur Dagol verbrachte seine Tage auf den Stufen vor der Herberge, malerisch in graziler Haltung, die grünen Haare mit den bunten Bändern darin sorgfältig über der Schulter drapiert, und versuchte, Donata ein Lächeln zu entlocken. Wie traumverloren deklamierte er Liebesgedichte und seufzte ein ums andere Mal tief, wenn er sie von Ferne sah. Er bekam viele Angebote von handfesten Witwen und des nachts auch von verhuschten Männern, doch Donata beachtete ihn nicht, und so begab sich Dagol nach zwei Tagen und zwei Nächten in seine Kammer, verdunkelte die Fenster, verkroch sich ins Bett und beschloss, mindestens eine Woche lang zu leiden.

Als denn Donata kam mit dem Auftrag Prados, mal eben aus einem benachbarten Dorf ein Artefakt abzuholen, war Dagol mit Leiden noch nicht fertig, Brindol konnte zwar noch stehen, jedoch weder sprechen noch laufen und Zobeida war einem Rezept auf der Spur, daher beschlossen die beiden Ritter Moncada und Zelaya, der Halbling Gustan und meine Wenigkeit, den läppischen Auftrag zu erledigen.

Donata fuhr uns mit der Kutsche ungefähr eine Stunde lang nach Südosten. Dabei passierten wir eine Grenze. Dahinter lag das Königreich Amaj (Heidenland, wie man weiß) und in der Nähe eines seltsam gespaltenen Baumes sagte sie uns, die Straße sei zu schlecht und wir müssten die letzte halbe Meile zu Fuß gehen. Kein Problem für Gustan und mich, nur die Ritter jammerten, dass sie ihre Pferde nicht hätten und überhaupt.
Wir gingen gerade zwischen den beiden Hälften des Baumes hindurch, da fing es heftig an zu schneien- im Freudenmond! Schlimmer noch, überall lag Schnee und es war ganz dunkel, fast wie in einem Schneesturm. Wir drehten uns entsetzt nach Donata um, doch sie warf Gustan nur einen Sack an den Kopf und war verschwunden. Und mit ihr die Straße, die Kutsche, das schöne Wetter, unsere Hoffnung auf einen netten kleinen Ausflug und jegliche Verlässlichkeit der Realität.
In dem Sack waren Wintermäntel - diese gemeine Zauberhexe hatte den Schnee also absichtlich gezaubert um uns zu verwirren und zu demütigen. Murrend stapften wir gen Norden, wo angeblich das Dorf sein sollte. Und siehe da, nach kaum einer Stunde Schneestapfen kam Wolfang in Sicht, tief verschneit und auf seltsame Art seltsam. Das Dorf bestand aus langen niedrigen Holzhäusern, die um einen Platz angeordnet und am Dachgiebel mit Pferde- und Drachenköpfen verziert waren. Da draußen keine Menschenseele war, bummerten wir an die Tür des größten Hauses und nach kaum einer Ewigkeit öffnete sich die Tür und heraus kamen in dieser Reihenfolge: Jede Menge stickiger Holzrauch, der Gestank ungewaschener mutmaßlich dicker bärtiger Männer, das Odeur von schlecht gegerbten Tierhäuten, eine Spur Gerstensuppendampf, trunkenes Gegröhle, Hundegebell und das Geklirr von Tonkrügen in Fettpfützen auf Eichentischen. Als die bucklige Frau, die uns geöffnet hatte, uns unwirsch herein winkte, traten wir nur ein, weil die Alternativen noch weniger attraktiv erschienen.

Wir sahen alles, was wir zuvor nur gerochen hatten. Auf einer Art Thron saß ein großer Mann in Fellkleidung. Hinter ihm hingen gekreuzte Eisenäxte an der Wand. Das war, wie sich herausstellte, Leif Leifson, der Sohn des Leif und Chef des Dorfs. Wir sollten unsere Waffen ablegen (die Leute hier starrten unsere Stahldolche an, als wären sie aus purem Gold) und uns zu ihnen setzen. Wir bekamen Eintopf und Met und einen Platz auf eng besetzten Holzbänken zwischen rauen aber freundlichen Dörflern.
Die Unterhaltungen allerdings waren merkwürdig- so wusste keiner etwas von Kolnik, obwohl das doch die größte Stadt in diesem Teil des Landes ist.  Auch kannten sie weder den König noch den grauen Orden. Als wir schon vermuteten, dass sie noch nie jenseits des Dorfangers gewesen waren, berichteten sie vom Meer im Norden und von einer Thingstätte, die auch als Handelsplatz diente einen halben Tagesmarsch im Nordwesten.

Der Herr Moncada erkannte zuerst, was sich als unglaubliche Wahrheit herausstellte: Wir waren 30 Meilen südöstlich von Kolnik und wir befanden uns 500 Jahre in der Vergangenheit.

Darauf brauchte ich glatt noch mehrere Becher Met. Schließlich war ich jedoch bereit, alles zu glauben, was man mir erzählte.

Der Dorfbarde (sie sagten hier "Skalde") erzählte uns Geschichten von Leif Erikson, dem Vater von Leif Leifson. Dieser muss wohl so einiges drauf gehabt haben, denn jedes Kind kannte irgendwelche Heldengeschichten von seinen Reisen und so. Er war es jedenfalls, der das Artefakt gebracht hatte, von einem Zauberer namens Merricat und sie brachten es ihrem Obergott Ulric zum Opfer (indem sie es mit Eisennägeln an der Wand befestigten). Ulric, der als Holzstatuette herumstand, bekam auch immer wieder Eisennägel in den Kopf. Diese eindeutige Vorzugsbehandlung wollte Nali, der andere wichtige Gott (des Wetters, der Liebe, bla bla) nicht hin nehmen (wie uns die weise kleine Alma, 5 Jahre, erzählte) und so schickte Nali einen ewigen Winter, der den Anbau von gesundem Gemüse unmöglich machte und die Leute zwang, jeden Tag gebratene Tiere zu essen, oh meine Götter, wie grausam!

Jedenfalls wollten wir dieses Artefakt und hatten extra zum Tausch einen riesigen Eisenbarren mitgeschleppt, doch der Skalde schickte uns zum Obermufti Leif und der schickte uns zum Skalden und irgendwie schien niemand so richtig interessiert zu sein, außer Almas liebe Omi, die mit blinden Augen offenbar die einzig Sehende unter lauter Hühnern war und klar erkannte, dass das Artefakt des netten Zauberers von nebenan nicht hierher gehörte und fremd war, genau so wie wir, und dass es am besten mit uns dahin ginge, wo es hingehöre, genau wie wir und wieder einmal wurde klar, dass alte Frauen irgendwie alles wissen und nichts Fremdes mögen.

Nun, bevor wir es schafften, Leif Leifson diese Ideen näher zu bringen, wurde zur Jagd geblasen auf einen riesigen Eber mit Feueratem und Drachenhörnern, so groß wie ein Stier und so gefährlich wie zwei Stiere, der das Dorf bedrohte und verhöhnte und kleine Kinder fraß.

Das war das erste Mal, dass wir voller Bedauern an den Waldläufer dachten, wie er leidend vor unerfüllter Liebe in seiner dunklen Kammer lag. Verdammt, der Elf hätte wenigstens einen Bogen gehabt!
Nun, der Gedanke, dass ein Nahkampf gegen einen solch teuflischen Rieseneber irgendwie gefährlich sein könnte, kam unseren Rittern nicht. Sie stürmten voran, schrieen Todesdrohungen in den Schneewind und schossen dem auf sie zustürmenden Eber einen Armbrustbolzen in die Flanke, hauten ihm mit dem Schwert eins über die Rübe und da bekam der Eber Angst und floh blutend in ein Tannendickicht.

Wir krochen hinterher...und sahen, dass der Eber in einen Felsspalt rannte. Während der Halbling und ich auf die Felsen kletterten, um den Eber von oben zu Tode zu schießen, stürmten die Ritter beide in den Spalt. Als der Eber sah, dass er verfolgt wurde, drehte er um und griff an. Er rannte erst in Moncadas Schwert und Schild, warf den langen Lulatsch um und warf sich dann gegen Zelayas Schild. Diese hielt stand und so kassierte das Untier noch zwei Schwerthiebe.

Da warf sich von oben mit gezücktem Hiebmesser der Halbling Gustan auf die Stelle, wo der Eber hätte sein können, aber nicht war und rammte mit aller Kraft sein Messer in den Boden. Ich hätte erzählen können, dass der Eber sich darauf hin tot lachte, doch starb er sicher an dem Armbrustbolzen, den ich ihm zielgenau irgendwo in den Pelz schoss. Ich dankte den Rittern, dass sie ihn so schön für mich eingekesselt hatten, denn die Präzision meiner Armbrustschüsse sei nicht so erprobt (das war das erste Mal, dass ich mit so einem Ding geschossen hatte! Anfängerglück!).
Jedenfalls stand Gustan auf, klopfte sich den Dreck von den Knien, sprang auf den Eber und gab dem bereits toten Tier den Rest. Und noch einen Rest. Und noch einen!

Wir holten die Dorfleute, präsentierten ihnen ihren nicht ganz so riesigen Rieseneber, bestätigten, dass er gewiss Feuer gespien hatte, wir ihn jedoch trotzdem besiegen konnten und während die Frauen das Jagdfest vorbereiteten, konnten wir Leif Leifson mithilfe des Skalden überzeugen, dass der Kopf des Ebers eine prima Opfergabe für einen erzürnten Gott darstelle und dass das Artefakt nicht hier her gehöre und wir es deshalb mitnähmen und je mehr Met Leif trank, desto leichter war er zu überzeugen und so bekamen wir alsbald das alte Schwert vom Götteraltar und machten uns auf den Weg zurück in die Zukunft.

Ich machte mir große Sorgen, was wir an dem gespaltenen Baum vorfinden würden und siehe da, meine Befürchtungen trafen ein: Der Schnee verschwand, die hinterlistige Donata tauchte auf und die Aussicht auf ein glückliches Leben ohne Gemüse, mit viel gebratenem Fleisch und Fässern voller Met an der Seite von rauen wilden Männern als einzige Frau im Dorf, die jemals gebadet hatte und wusste, wie man ein Dekolletee trägt, verblasste vor meinen Augen zu einem Traum.

































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