Dagol, dessen Heldenmut schier unerschöpflich schien, wagte es, durch den Vorhang zu treten und sich umzusehen. Niemand beachtete ihn besonders. Und mit "niemand" meine ich jede Menge sehr seltsamer, äußerst blauer Gestalten, die irgendwie vogelig-menschlich aussahen, aber Schwimmhäute zwischen Fingern und Zehen hatten und irgendwas Kiemenartiges am Hals hinter den Ohren. Leute, die man sicher zu keiner Geburtstagsfeier einladen würde.
Offenbar befanden wir uns in einer Stadt. Häuser, aus Lehmziegeln erbaut, bildeten enge Gassen, die von bunten Baldachinen überspannt wurden. Hölzerne Markststände säumten das Karree größerer Plätze. Auf diesem bevölkerten Basar wurde gefeilscht, musiziert und gekocht. Vielerlei Waren wurden angepriesen: Muscheln und Krebse, Muschelschalen und Krebsscheren, Trockenfisch, Grillfisch, Kochfisch. Perlen und Korallenstücke, getrocknete Algenfladen und getrocknete Seesterne. Alles wies darauf hin, dass die Bewohner dieser Stadt aus dem Meer lebten. Wir streiften durch die Gassen und niemand belästigte uns oder wies darauf hin, dass wir nicht blau waren. Die Amulette taten offenbar ihre Wirkung.
Wir wagten es, Einheimische anzusprechen und erfuhren, dass ein Dämon gefangen worden sei, der im Tempel festgehalten werde.
Es war keine große Überraschung, im Tempel einen Käfig mit einem zerzausten Zauberer darin vorzufinden. Wir versicherten dem Oberschamanen des Tempels, Forscher und Wissenschaftler zu sein, die ihnen helfen würden, dass Dämonenproblem der Stadt zu lösen. Sehr diskret unterhielten wir uns mit dem Zauberer Merycad und fanden einiges heraus: 1. Tanzende Zwerge sind etwas derart Absonderliches, dass sich kein Schamane der Welt dieser erregenden Faszination entziehen kann. 2. Dagol kann mit den Händen reden (wussten wir schon) 3. Merycad wurde sein Amulett vom Hals entrissen und damit wurde er enttarnt (halbnackter alter Mann in dem, was er für Badekleidung hält), was naturgemäß zu einer Massenpanik führte.
Würde er befreit, dann habe er einen Ring, mit dem er uns zurück in die Heimatwelt befördern könne.
Wir beschlossen, ihn noch ein wenig im Käfig modern und von gestreiftem Karpfen träumen zu lassen (der Grund, warum der Zauberer in diese Welt gereist war). Derweil wollten wir den Amulett-Dieb finden. Wozu auch immer.
Die Nacht verbrachten wir im Pilgerdorf in einer kleinen nicht ganz schlangenfreien Hütte. Die- wie wir später erfuhren- tödliche Kupfernatter, die offenbar jemand auf uns gehetzt hatte, wurde in einem Bettbezug gefangen und zur weiteren Verwertung an einen Kräuterhändler verkauft.
Dagol freundete sich mit einem Bootsbauer an (Bootsbauer sind die einzigen, die sich mit Bootsbauern anfreunden...keiner weiß, warum). Von diesem erfuhr er, dass es einen Vulkan mit Feuergöttern hinter der Stadt gebe, wo sich niemand hintraute, da diese gefährlich seien. Tja, so etwas durfte man uns nicht sagen: Zack! Führer finden und Wumms! Los zum Vulkan! Halb oben blieb der Führer zurück und die letze Strecke bis zu einem Weg rund um den Vulkankegel bewältigten wir im Alleingang. Auf unserem Weg rund um den Berg auf der Suche nach irgendeinem Hinweis auf Feuergötter bemerkten wir, dass uns eine kleine blaue Gestalt verfolgte. Eine Dornenhecke später hatten wir einen kleinen blauen Gefangenen, der uns ziemlich widerstandslos darüber aufklärte, dass er seit Tagen versuche, uns zu töten, so wie er versucht habe, den Zauberer zu töten. Blau sein macht nicht klug, das merkt man immer wieder. Allerdings stellte sich heraus, dass das Blau ein Illusionszauber war und in Wirklichkeit war der Gefangene ein Gnom. Gnom sein macht auch nicht klug.
Jedenfalls habe er einen Boss, der sei im Berg damit beschäftigt, irgendwelche blauen Kristalle abzubauen, die halluzinogene Wirkung hätten auf manchen Welten. Ein Drogenboss also. Der Gefangene führte uns zum Eingang und wir stiegen hinab in die Tiefen des Vulkangesteins. Dort fand sich alles, was so ein Gnom braucht: Winzige Bettchen, kleine Stühlchen, putzige kleine Toiletten.
Unten angekommen versteckten wir uns und nur Dagol, der grünhaarige Halbelf verhandelte mit dem Boss der vier Gnomen darüber, den Zauberer zu befreien und überhaupt. Er erhielt einen Ring, der unsichtbar macht und die Zusicherung, dass wir den Zauberer befreien und mit nach Hause nehmen dürften. Dagol sicherte seinerseits zu, die Drogenhändler, die sich am Leid ihrer Opfer bereicherten, nicht zu verraten und nicht weiter zu behelligen. Als er entdeckte, dass entführte blaue Froschfresser mit Ketten als Sklaven gehalten wurden, damit sie die blaue Substanz abbauen konnten, rumorte sein Gewissen, doch die Ausführung des Auftrags (Schaut nach, was der windige Zauberer so treibt) schien ihm wichtiger.
Der Rest war schnell erledigt: Wir kehrten zum Tempel zurück, sprachen diskret mit dem Zauberer, malten Kreisekreise und warfen ein wenig Schwarzpulver in eine Feuerschale- und flohen mit dem unsichtbaren Zauberer nach Hause.
Wir werden wiederkehren und den Drogenhändler-Sklaventreibern ein unwürdiges Ende bereiten, so viel ist sicher. Und gestreiften Karpfen werden wir das nächste Mal auch essen!
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